KI für Mamma-, Prostata- und Lungenkrebs Screening
Der demografische Wandel stellt unser Gesundheitssystem vor große Herausforderungen: während die Behandlungsmöglichkeiten immer vielfältiger, besser und auch teurer werden, nimmt der Bedarf an Behandlung im Allgemeinen durch die älter werdende Bevölkerung zu, gleichzeitig nimmt die Zahl behandelnder Ärzte ab. Zudem verschieben sich die Inzidenzen von Krankheiten, beispielsweise spielen Krebserkrankungen und deren Behandlung eine immer größere Rolle.
Besonders ausgeprägt sind diese Entwicklungen im ländlichen Raum. In Studien wird beispielsweise analysiert, dass Brustkrebs in ländlichen Regionen seltener detektiert wird und die Sterblichkeitsrate höher ist [1] und insgesamt gerade die Versorgung von Tumorpatienten im ländlichen Raum in Deutschland eine große Herausforderung bleibt [2, 3, 4].
In diesem Spannungsfeld ist es notwendig, die Patientenversorgung zu verbessern und gleichzeitig die Behandler zu entlasten. Im Projekt KIMPALUS beschäftigen wir uns daher beispielhaft mit der Früherkennung der drei häufigsten Krebsarten: Bei früh erkannten Brust-, Prostata- und Lungenkarzinomen sind die Behandlungsmöglichkeiten deutlich besser, weniger invasiv und weniger belastend für das Gesundheitssystem. Durch den zielgerichteten Einsatz von Künstlicher Intelligenz sind hier enorme Effizienzsteigerungen zu erwarten. Wir wollen daher KI-Unterstützung in diesen Früherkennungsprozessen etablieren.
Bedingt durch die unterschiedlichen Reifegrade der Früherkennung bei den genannten Anwendungsfällen unterscheiden sich auch die zu entwickelnden Technologien.
Für Brustkrebsfrüherkennung ist bereits ein Mammographie-Screeningprogramm etabliert; dort ist die Herausforderung die Integration neuartiger KI-Befundungssysteme. Hierfür wollen wir im Rahmen von KIMPALUS unter Einbeziehung der aktuellen Studienlage [5, 6] neue Konzepte entwickeln und zusammen mit klinischen Partnern im Raum Brandenburg testen.
Bei der Lungenkrebsfrüherkennung steht die Einführung eines systematischen Screeningprogrammes auf Basis von Niedrigdosis-CT unmittelbar bevor; der Einsatz einer Software zur computerassistierten Detektion ist zwingend vorgeschrieben [7]. Wir wollen in diesem Projekt einen Vorschlag für Kriterien zur Qualitätssicherung solcher Softwaresysteme erarbeiten und ein Testsystem prototypisch implementieren.
Für die Prostatakrebsfrüherkennung gibt es international vielversprechende Konzepte [8], so dass eine Einführung innerhalb der nächsten Jahre zu erwarten ist. Die Herausforderung ist hier die Entwicklung und Validierung entsprechender KI-basierter Unterstützungssysteme, die eine hinreichend große und repräsentative Datenmenge voraussetzen. Diese Datenmengen sind entsprechend den Datenschutzrichtlinien schwer zentralisiert zusammenzustellen; wir wollen daher in KIMPALUS eine Infrastruktur für verteiltes Training und verteilte Validierung entsprechender Algorithmen bereitstellen.
Über die Expertise von Fraunhofer Mevis werden mit diesem Projekt medizinische Bilddaten als digitales Ökosystem für die im Rahmen des ZDD entwickelten digitalen Lösungen erschlossen. Mit dem strategischen Fokus auf die Krebsfrüherkennung stärken wir dabei den präventionsorientierten Teil des ZDD. Die im Rahmen von KIMPALUS entwickelten Lösungen zur Entwicklung und Validierung von KI-Algorithmen für die Krebsfrüherkennung, von Methoden zu Qualitätssicherung dieser Algorithmen im praktischen Einsatz sowie zur Unterstützung der Integration in die Routinepraxis verfolgen dabei das Ziel, die derzeit bestehenden Hürden für einen breiten Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der diagnostischen Praxis zu eliminieren und damit die Effizienz der medizinischen Versorgung gerade auch im ländlichen Raum zu steigern.
Wir wollen mit KIMPALUS skalierbare Technologien entwickeln, die auch über den konkreten Projetfokus hinaus den Einsatz von KI zur Interpretation klinischer Bilddaten in der Krebsfrüherkennung speziell, aber auch darüber hinaus allgemein in der klinischen Diagnostik ermöglichen und beschleunigen. Mit dem Fokus auf die drei Anwendungsfelder Prostata-, Lungen- und Brustkrebs decken wir einerseits drei Krankheiten mit hoher Inzidenz ab, die gleichwohl bei früher Diagnose eine gute Prognose haben und somit hochgradig praxisrelevant sind. Andererseits stellen diese Anwendungsfelder verschiedene Reifegrade der KI-Unterstützung bei der Früherkennung dar. Damit decken wir technisch einen großen Teil der verschiedenen Anforderungen bei der Einführung von KI in den jeweiligen Stadien ab, so dass die in KIMPALUS entwickelten Technologien auch für andere Anwendungen von KI für medizinische Bilddaten zum Einsatz kommen können.
[1] Übersichtsartikel auf gis.cancer.gov 2024, bezieht sich auf mehrere Publikationen, u.a.
Anderson T et al. Geographical Variation in Social Determinants of Female Breast Cancer Mortality Across US Counties. JAMA Netw Open. 2023 Sep 5;6(9):e2333618.
doi: 10.1001/jamanetworkopen.2023.33618. PMID: 37707814; PMCID: PMC10502521.
[2] Artikel „13,8 Millionen für Verbundprojekt ONCOnnect“, Netzwerk Onkologischer Spitzenzentren, 05.07.2024
[3] Artikel “Onkologen fordern: Versorgungslücken schließen“, Healthcare-in-europe.com, 01.02.2022
[4] Artikel “Tumorpatienten in ländlichen Regionen: Neue Versorgungskonzepte erforderlich“, Deutsches Ärzteblatt 2018; 115(7): [4];
DOI: 10.3238/PersOnko.2018.02.16.01
[5] MASAI: Lång K et al. Artificial intelligence-supported screen reading versus standard double reading in the Mammography Screening with Artificial Intelligence trial (MASAI): a clinical safety analysis of a randomised, controlled, non-inferiority, single-blinded, screening accuracy study. Lancet Oncol. 2023 Aug;24(8):936-944.
doi: 10.1016/S1470-2045(23)00298-X. PMID: 37541274.
[6] PRAIM: Eisemann, N et al. Nationwide real-world implementation of AI for cancer detection in population-based mammography screening. Nat Med (2025). https://doi.org/10.1038/s41591-024-03408-6
[7] LuKrFrühErkV: Verordnung über die Zulässigkeit der Anwendung der Niedrigdosis-Computertomographie zur Früherkennung von Lungenkrebs bei rauchenden Personen (Lungenkrebs-Früherkennungs-Verordnung — LuKrFrühErkV);
BGBl. 2024 I Nr. 162 vom 17.05.2024
[8] STHLM3: Nordström T et al. Repeated Prostate Cancer Screening Using Prostate-Specific Antigen Testing and Magnetic Resonance Imaging: A Secondary Analysis of the STHLM3-MRI Randomized Clinical Trial. JAMA Netw Open. 2024 Feb 5;7(2):e2354577.
doi: 10.1001/jamanetworkopen.2023.54577. PMID: 38324313; PMCID: PMC10851096.